Henriette Lebenslust und das Glück

Sieben Jahre lang hatte Henriette Lebenslust in fernen Landen bei einem Universitätsprofessor für interstellare Raumfahrt als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet. Ja, sie hatte dort viel gelernt. Ihr Studium der Physik und ihre Jahre als Doktorandin an der heimatlichen Universität waren nur die Grundlage gewesen für die intensiven Erfahrungen die sie in den letzten Jahren gemacht hatte. Ihr Entschluss aber stand fest, sie wollte wieder zurück in ihr geliebtes Europa. Viel Geld hatte sie in den fernen Landen verdient, viel auch gearbeitet und kaum Zeit gehabt, das Geld auszugeben. Der Professor für den sie so treu gearbeitet hatte entließ sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ja, er werde sie vermissen, ihren Fleiß und ihre Kompetenz, aber er wisse auch, er könne sie nicht mehr weiter fördern und so möge sie ihr Glück an einem anderen Ort suchen und finden. Seit ihrer Kindheit liebte Henriette Lebenslust Pferde und so beschloss sie, der Physik AD zu sagen und eine Pferdezucht zu beginnen.
Sie nahm all ihr Geld und kaufte sich einen Reiterhof. Ja, es machte ihr große Freude mit den Pferden auszureiten, sie zu pflegen und mit ihnen zu sprechen. Was bin ich nur für ein glücklicher Mensch dachte sie an manchen Tagen. Ich besitze einen so schönen Reiterhof und kann mit den Pferden über Stock und Stein reiten durch diese schöne Landschaft. Der Reiterhof hatte einen Verwalter, der sich darum kümmerte, dass die Pferde immer genug zu essen hatten, dass die Stallungen sauber und in gutem Zustand gehalten wurden und die Weiden für die Pferde umzäunt wurden. Das alles kostet Geld sagte der Verwalter, ihr müsst auch mein Gehalt und das der Knechte noch bezahlen. Henriette Lebenslust bekam jetzt von Leuten Besuch, die nicht freundlich mit ihr waren, die Geld für geleistete Arbeit wollten, für das gelieferte Futter, für die Instandsetzung des Stalldaches und Vieles mehr. Da war ihr verdientes Geld schnell verbraucht.
Ein junger Mann, der Henriette Lebenslust sehr gefiel und der regelmäßig zum Reiten kam machte Henriette Lebenslust ein Angebot: Verkaufe doch den Reiterhof und komme mit mir, ich habe ein schönes großes Haus, mit einem Park und Swimmingpool, dort kannst Du wohnen und wir machen uns ein schönes Leben. Ich bin glücklich weil ich viel Geld habe und mir alles kaufen kann was ich möchte. Ja, glücklich möchte ich auch sein, sagte Henriette Lebenslust und war einverstanden mit dem reichen jungen Mann in ein neues Leben zu beginnen. Henriette Lebenslust war froh, als sie ihren Reiterhof an einen Landwirt aus der Umgebung verkaufte. Ich kann dir nur die Hälfte von dem geben, was du für den Hof bezahlt hast, schließlich übernehme ich ja noch deine ganzen Schulden, sagte der Landwirt. Die Last bin ich jetzt los und zugleich finde ich ein Glück bei diesem Mann, dachte Henriette Lebenslust. Was könnte mir Besseres passieren. Ihr Mann war sehr nett zu ihr und beschenkte Henriette Lebenslust mit Schmuck und Reisen. Sogar ein Pferd durfte sie halten. Er arbeitete viel um Henriette Lebenslust zu verwöhnen. Henriette Lebenslust spazierte in dieser Zeit durch ihren Park, lag am Rande des Swimmingpools und sonnte sich, manchmal ritt sie auch mit ihrem Pferd aus. Das ging so, Tag ein, Tag aus, sieben Jahre lang. Aber ach, das ist ein langweiliges Leben dachte Henriette Lebenslust. Meinen Mann sehe ich nur am späten Abend, wenn ich schon müde bin und ich sehe den ganzen Tag nur das Haus und den Park. Ich will anders leben. Da kam eines Tages eine Freundin vorbei, die sich auch zu Hause langweilte. Lange redeten sie miteinander. Wir erfinden uns neu riefen sie, als sie sich klar wurden, was sie machen wollten. Wir machen ein Café auf. Der Name soll sein: "Zur Vernunft" und unser Werbeslogan: "Komm zur Vernunft". Wir laden viele Künstler und Schriftsteller ein, die ihre Kunst zeigen und Lesungen halten oder Musik machen. Wir können in den Räumen "Der Vernunft" auch Fotografien oder gemalte Bilder zeigen freuten sich Henriette Lebenslust und ihre Freundin Hannelore.
Was hab ich nur für ein Glück, Hanelore getroffen zu haben, dachte Henriette Lebenslust. Gerade hatte ich mich entschlossen meinen Mann zu verlassen und ein neues Leben zu beginnen, da habe ich mit Hanelore eine so tolle Idee. Von mir hast Du keine Unterstützung mehr zu erwarten wenn Du mich verlässt, rief ihr der Mann noch zu, der sieben Jahre lang ihr Partner gewesen war.
Ich brauche keine Unterstützung dachte Henriette Lebenslust, ich kann für mein Leben selber sorgen. Das gemeinsame Führen eines Künstlercafés wird mir bestimmt große Freude bereiten und ich kann dabei viele interessante und kreative Menschen kennenlernen. Und langweilig wird mir bei der Arbeit im Café sicher auch nicht. Ich werde servieren, Kuchen backen, Café und Schokolade anbieten. Tatsächlich wurde das Café ein großer Erfolg. So ging es sieben Jahre lang. Ach dachte Henriette Lebenslust, sieben Jahre laufe ich jetzt Tag ein, Tag aus und bringe den Leuten Getränke und Kuchen. Mir tun die Beine ordentlich weh, ich habe hier schon viele Schuhsohlen durchgelaufen. Freizeit kenne ich so gut wie gar nicht, denn der Kuchen muss vor den Öffnungszeiten des Cafés gebacken werden und die Getränke muss ich auch noch herbeischleppen. Was nutzt es mir, wenn ich andere Leute verwöhne und darüber mich vergesse. Den ganzen Tag sitzen, Waren über einen Scanner ziehen, das kann nicht schwer sein und schont meine wehen Füße. Ich bewerbe mich für eine Tätigkeit an der Kasse in einem Supermarkt, dachte Henriette Lebenslust. Wenn mein Dienst vorbei ist, brauche ich nicht mehr an Arbeit zu denken, meine Freizeit gehört dann mir. Und weil mir die Füße dann nicht mehr wehtun, kann ich tanzen gehen, Freunde und Freude haben. So saß Henriette Lebenslust sieben Jahre lang an der Supermarktkasse. Du musst schneller arbeiten sagte der Filialleiter eines Tages zu ihr. Die Kunden wollen nicht so lange in der Schlange stehen. Ich hab dich auch in Verdacht, dass du unerlaubt Lebensmittel mit nach Hause nimmst. Da wurde Henriette Lebenslust zornig. Ich bin doch keine Diebin und ich arbeite so schnell ich kann, fauchte sie. Du denkst wohl ich sei deine Sklavin und du könntest Antreiber sein. Setz Dich doch selber an die Kasse. Ich kündige!! Nachdenklich ging Henriette Lebenslust nach Hause in ihr kleines Appartement.
lch will etwas tun, womit ich den ganzen Tag beschäftigt bin und gar nicht merke, dass ich arbeite, dachte Henriette Lebenslust. Eine Tätigkeit die mir wie von selbst von der Hand geht, wo der Feierabend viel zu früh kommt. Lange war ich nicht mehr bei meinen Eltern, denkt Henriette Lebenslust. Ich werde sie besuchen und mich mit ihnen beraten.
Als sie endlich zu Hause ankommt ist der Vater schon längst gestorben. Die Mutter ist froh ihre Tochter wieder zu sehen. Ich hab dich die ganzen Jahre so vermisst, sagt sie, ich bin so froh, dass du den Weg zu mir gefunden hast. Seit Vater tot ist bin ich sehr alleine. Er hat mir viele Goldmünzen hinterlassen, aber was soll ich mit dem ganzen Gold. Gold kann man nicht essen. Da hat Henriette Lebenslust eine Idee: Ich werde Goldschmiedin sagt sie zu ihrer Mutter, da kommt mir Vaters Gold gerade recht.
Da weiß Henriette Lebenslust, sie hat das gefunden, nach dem sie solange gesucht hat. Eine Lehre als Goldschmiedin braucht Henriette Lebenslust nicht zu machen, denn auf wundersame Weise kann sie die schönsten Schmuckstücke herstellen, ohne es je gelernt zu haben. Sie heiratet einen Hufschmied, dem die Frau gestorben ist, der hat 7 Kinder aus dieser Ehe, 4 Jungen und 3 Mädchen. Der Hufschmied ist ihr ein guter Mann und seine Kinder gute Söhne und Töchter zum Vater und zur Stiefmutter. Ich bin glücklich, sagt Henriette Lebenslust wenn ich mit meinem Mann, seinen Kindern und allen Freunden fröhlich am Gartentisch sitze, die Sonne scheint und die Mauersegler kreisen. Henriette Lebenslust arbeitet als Goldschmiedin bis sie 10 x 7 Jahre alt ist und immer noch weiter. Und wenn ihr mal an ihrem kleinen Laden in der Altstadt vorbeikommt, geht hinein, grüßt sie von mir und vielleicht kauft ihr ja etwas aus ihrer Schmuckschatulle.