Tante Else

Tante Else hat sieben Kinder und sieben Enkel. Sie sagt: "Eine alte Frau bin ich aber nicht". Ihre Kinder sind schon lange Erwachsen. Manchmal sieht sie in Ihnen große tüchtige Frauen und Männer, manchmal sieht sie aber in ihnen noch die Mädchen und Buben wie zu der Zeit als sie noch Kinder waren. Zeit ist nicht in den Uhren sondern in den Menschen sagt Tante Else. Tante Else lebt in einem kleinen Haus mit großem Garten. Mein Gartentisch ist zu klein, wenn alle Kinder mit ihren Partnern und Partnerinnen und alle Enkelkinder mit ihren Freunden und Freundinnen kommen. Dann leihe ich mir noch zwei große Gartentische von den Nachbarn, sagt Tante Else. Dann wird gelacht, gespielt, gegessen und getrunken.

Tante Else hat sieben Katzen, sieben Kanarienvögel und einen Hund. Der Hund heißt Benny. Er beschützt Tante Else. Die Katzen unterhalten sich mit Tante Else, deshalb ist sie nie einsam. Die Kinder und Enkel von Tante Else wohnen alle in großen Städten die weit weg sind von Tante Elses Haus im Taunus. Sie kommen oft zu Besuch, es gibt aber viele Tage, da kann sich Tante Else nur mit ihren Katzen und Benny unterhalten. Die Kanarienvögel erfreuen Tante Else mit ihrem Gesang. Meine Tiere und ich, wir halten zusammen, sagt Tante Else. So lebt sie eben, unsere Tante Else. Tante Else liebt Blumen. Deshalb trägt sie nur Kleider mit Blumen darauf. Ich liebe es bunt, sagt sie und zieht sich ihre Ringelsocken hoch.

Ich brauche kein Smartphone und kein Internet sagt Tante Else. Ich habe doch ein Telefon und wer mich sprechen will, der soll mich anrufen und wenn ich jemanden sprechen will, den kann ich dann anrufen.

Am ersten Mai schmückt Tante Else ihren Kirschbaum mit roten Fahnen und Wimpeln. Unter dem Baum hält sie eine Rede, sie will, dass es keine Menschen gibt die zu viel Geld haben und das es keine Menschen gibt die zu wenig Geld haben. Ich will, dass alle Menschen sagen und tun können was sie mögen, aber dabei keine anderen Menschen verletzten. Ich will, dass sich alle Menschen gegenseitig helfen und freundlich miteinander sind.

Es ist mir egal, ob die Menschen glauben ich sei eine Kommunistin oder Sozialistin oder eine Spinnerin, sagt Tante Else. Manchmal kommen Leute und hören Tante Else zu. Dann freut sich Tante Else. So ist sie eben, unsere Tante Else Tante Else stopfte gerne Löcher. Sie kontrolliert die Kleidung ihrer Kinder und Enkelkinder. Sieht sie ein Loch in einem Strumpf, in einer Unterhose, in einem Hemd oder einer Jacke, so ruft sie: "Ich will stopfen". Sie ist echt die größte Strumpfloch, Unterhosenloch, Hemdloch und Jackenloch Kunststopferin. Man kann echt nicht mehr erkennen, wo das Loch gewesen ist, wenn es Tante Else stopft. "Gelernt ist gelernt" sagt Tante Else. So ist sie eben, unsere Tante Else.

Als Tante Else Jung war hatte sie den Beruf einer Traktoristin. Sie lernte große Ernte- und Landmaschinen, Traktoren und Mähdrescher zu bedienen und zu fahren. Zur Erntezeit braucht der Bauer auf dem großen Taunusbauernhof Helfer, die die Mähdrescher und andere Erntemaschinen fahren können. Da springt Tante Else immer gerne ein. Sie kann die größten Maschinen und Traktoren millimetergenau fahren. Das ist eine schöne Abwechslung für mich als Rentnerin, sagt Tante Else. Ich will kein Geld als Lohn, sagt Tante Else dem Bauern; ich will 5 Säcke von Deinen Kartoffeln. Das reicht mir für ein Jahr. So ist sie eben, unser Tante Else.

Tante Else hat einen großen Garten. Darin wächst Gemüse, Beeren und Obst Im Frühjahr erntet sie Kirschen und Erdbeeren, im Herbst Äpfel und Birnen, auf den Beeten wachsen Bohnen, Salat, Zucchini, Kohlrabi, Möhren, Zwiebeln und Tomaten. Soviel wie mein Garten hergibt, kann ich gar nicht alleine Essen. Da gebe ich immer viel an die Kinder und ihre Eltern aus der Nachbarschaft. Tante Else sagt, bei mir ist alles Bio und gesund. Ich gehe auch über Wald und Feld und sammle was mir gefällt. Für meine Kräuterkraftsaftsuppe gefallen mir junge Brennnesseln, Kerbel, Schafgarbenblättchen, Gänseblümchen und ein wenig Gundermann. Wie ich daraus eine Suppe mache, das ist mein Kräuterhexengeheimnis. So ist sie eben unsere Tante Else.

Ich habe eine Solaranlage auf dem Dach, sagt Tante Else. Die macht Strom für mein Elektroauto, meine Waschmaschine und das Licht. Ich brauche nicht viel Strom von den Kraftwerken, meint sie. Mein Auto fährt mit Sonne und ich fahre mit Sonne im Herzen. Große Reisen mache ich nicht, sagt Tante Else, ich fahre nur in die nächste Stadt mit meinem Auto zum Einkaufen. Wenn ich meine Kinder in Berlin besuche, dann fahre ich mit dem ICE. Tante Else achtet darauf, dass sie die Umwelt schont, so ist sie eben unsere Tante Else.

Einmal in der Woche geht Tante Else tanzen. Manchmal in den Tanzkreis mit ihren Freunden und Freundinnen, manchmal zum Tanztee im Kurhaus von Bad Schwalbach. Sie zieht dann ihre buntesten Kleider an. Tante Else hat immer Verehrer. Sie wollen sich mit Tante Else verabreden und Tante Else sagt: "Oh ja, das wäre schön". Aber Tante Else kommt nie zu den Verabredungen und die Verehrer sind traurig oder ärgerlich. So ist sie eben, unsere Tante Else

Tante Else liebt den Schäfer von Bärstadt. Sie besucht ihn oft in seinem Bauwagen und hilft ihm, wenn die Schafe geschoren werden müssen. Sie bekommt so viel von der Wolle wie sie möchte. Die Wolle verspinnt sie zu einem langen Faden. Aus dem strickt sie sich eine warme Stola oder warme Unterwäsche. Wenn ich warme Wollsachen über und unter meinen Kleidern trage, brauche ich im Winter nicht so doll zu heizen, sagt Tante Else

Wenn ein Nachbar oder eine Nachbarin krank ist, dann fragt Tante Else ob sie helfen kann. Z.B. einen Einkauf erledigen oder ob sie den Kranken zu Arzt fahren soll, oder ob etwas aus der Apotheke zu besorgen ist. Manchmal kocht sie auch für die Kranken. Dafür muss Zeit sein, sagt Tante Else. So ist sie eben unsere Tante Else

Auf ihrem Dachboden hat Tante Else eine große Kiste mit alten Kleidern, das ist meine Verkleidekiste, sagt Tante Else. Da sind Sachen drin, die sind noch von meinen Großeltern. Wenn ihre Enkelkinder mit ihren Freunden und Freundinnen zu Besuch sind, macht sie die Kiste auf und jedes Kind darf sich Kleidungsstücke zum Verkleiden aussuchen. Da gibt es Hüte für die Mädchen mit langen Federn und Schleifen und für die Jungen Schlägermützen aus Leder. Für die Jungen Hosen mit Hosenträgern und für die Mädchen lange Kleider mit Spitzen und Unterröcken. Wenn alle verkleidet sind sagt Tante Else, jetzt machen wir eine Prozession durch das Dorf. Die Dorfbewohner lachen und klatschen. Sie wissen, so ist sie eben die Tante Else.