"Die Tierischen Drei"

Es war einmal ein alter Esel, der hieß Graubart. Sein Lebtag lang hatte er Mehlsäcke für den Müller geschleppt: "Was bin ich nur für ein alter Esel, für schlechtes Futter und Fußtritte mich abzuplagen, wo ich doch musikalisch so begabt bin." Eines Tages stand sein Entschluss fest: Jetzt wollte er das tun, was von dem er schon lange bei der Arbeit geträumt hatte - Straßenmusikant werden. Gesagt getan. An einem Montagmorgen verließ Graubart die Mühle und machte sich auf den Weg. Dem ärgerlichen Müller, der ihn abhalten wollte, schüttelte er ab und rief ihm zu, dass er nach Bremen gehe. Denn Bremen war die einzige Stadt, von der er je gehört hatte, weil der Bauer sein Mehl seitlangem schon an einen dortigen Bäcker verkaufte. Der Bäcker hatte dem Müller immer erzählt, Bremen sei die schönste Stadt: Dort wohnten nur nette und reiche Leute, man habe das schönste Rathaus, es gebe die leckersten Backwaren und er sei der beste Bäcker. Graubart hatte stets die Ohren gespitzt, zugehört und sich alles gut gemerkt. Graubart war noch nicht weit gegangen, da bekam er bei dem Gedanken an die Leckereien in Bremen mächtigen Hunger. "Woher bekomme ich nur mein Heu und einen Eimer Wasser", sprach er vor sich hin. Ein Hund, der vor dem Tor eines Gutshauses lag, hörte dies: "Ach Esel, du tust mir leid, ich mach dir die Tür zum Stall auf. Dort liegt genügend Heu und eine Tränke gibt es auch." "Ich danke dir sehr", entgegnete Graubart erfreut. "Was machst du so allein auf der Straße?" fragte der Hund und Graubart antwortete, "Ich gehe nach Bremen, dort werde ich Straßenmusikant und lebe dann von dem was die Leute mir geben. Es gibt nichts Besseres und Schöneres als ein freies Leben." "Straßenmusikant, das wäre auch was für mich", meinte der Hund. "Ich bin von Geburt an musikalisch. Übrigens, mein Name ist Kangal." Er erzählte dem Esel sein Schicksal: Ich wurde als Wachhund auf dem Gut eingestellt. Jetzt aber hat der Hausherr eine Warnanlage angeschafft, da braucht er mich nicht mehr. Bei mir gab es allerdings keine Fehlalarme, über die er sich ständig ärgert. Trotzdem will er mich jetzt nicht mehr in die warme Stube lassen, immer soll ich in der kalten Hundehütte bleiben, obwohl ich Rheuma habe." Jetzt machten sich beide auf den Weg. Das Rufen des Gutsherrn, Kangal solle zurückkommen, verhallte im Wind. Kangal und Graubart zogen in Richtung Bremen. Am nächsten Tag machten sie Pause auf einem Marktplatz. Sie musizierten zum ersten Mal. Die Leute waren begeistert und spendeten Applaus und Futter. Als sie weiterziehen wollten, strich eine Katze um ihre Beine. "Kann ich nicht mit euch kommen? Ich bin sehr musikalisch und könnte euch nützlich sein. In meinem Haus ist ein Mann, der sich eine neue Frau genommen hat. Sie behauptet, sie habe eine Katzenallergie und ich dürfe nicht mehr reinkommen. Wenn ich ihr eine meiner gefangenen Mäuse zeigen will, bekommt sie einen Schreikrampf und läuft davon." "Wir können stets eine musikalische Verstärkung gebrauchen", sagten Graubart und Kangal. "Komm mit nach Bremen, dort spielen wir dann als "Die Tierischen Drei"." "Übrigens", sagte die Katze, "ich heiße Clara." So zogen sie jetzt zu dritt in Richtung Bremen. Als sie der Hunger wieder einmal plagte, machten sie Halt an einem Bauernhof und präsentierten ihre Musik. Die Bäuerin war begeistert. "Am liebsten höre ich "Für Dich allein" von Roy Black", sagte sie und schaute verklärt. Die Version der "Tierischen Drei" begeisterte die Bäuerin. Sie bezahlte die drei Musiker großzügig mit Speis und Trank. Ach, hätte sie nur gewusst, was dann passierte. Ihr schönster Hahn war ebenso hingerissen von der Musik und entschied sich spontan mit den drei Musikern mitzureisen. "Darf ich mit, darf ich mit, darf ich mit", rief er immer wieder den Dreien zu. "Du kannst uns mit deinem wunderschönen Kikiriki ankündigen und unseren Auftritt moderieren", sagte der Esel, "komm mit uns." Die Bäuerin lief hinter ihrem Hahn her, um ihn einzufangen. Aber der Hahn konnte noch gut flattern, war schneller und rief: "Brathähnchen, Brathähnchen - ich doch nicht." Dann stellte er sich den Dreien vor: "Übrigens, ich heiße Rocky." "Jetzt sind wir die Vier tierischen Stadtmusikanten", sagte die Katze. "Nein", sagte der Esel, "wir sind "Die Tierischen Drei", der Hahn ist Ankündiger und Moderator", "er soll für eine Menge Publikum sorgen, das kann er ganz toll." Als es Nacht wurde, hatten sie Bremen fast schon erreicht. Da kamen sie an ein schönes Haus. "Ach, hier würde ich auch mal gerne wohnen", sagte Kangal, "ich gehe mal ans Fenster und höre und rieche was dort los ist." Nach einer Stunde kam er zurück und berichtete: "Da sitzen fünf Männer in grauen Anzügen und reden darüber, dass ihnen viele Häuser gehören und was sie tun können, damit ihnen noch mehr Häuser gehören. Sie sagen, die Mieten für die Menschen, die in ihren Häusern wohnten, seien viel zu niedrig und sie wollten die Mieten erhöhen, damit sie sie noch mehr Geld bekommen, um weitere Häuser zu kaufen." Graubart, Clara, Rocky und auch Kangal waren empört und beschlossen den Männern einen Schrecken einzujagen. "Denen werden wir es zeigen", sagte die Katze. Der Hahn flatterte auf das Fensterbrett und rief: "Steuerfahndung, Polizei." Sofort sprangen die Männer in den grauen Anzügen auf, rannten zu ihren Autos und brausten davon. Da freuten sich die Tiere, denn der Cateringservice hatte die leckersten Sachen für die fünf Männer in den grauen Anzügen angeliefert. An dieses Festessen werden die vier noch lange zurückdenken. "Hier bleiben wir", beschlossen sie. An einem der nächsten Tage versuchten die Männer, wieder in ihre Villa zurückzukommen. Vergebens: Kangal biss sie in die Waden, Graubart trat alle in den Allerwertesten, Clara fauchte und kratzte und der Rocky rief immerfort "Steuerfahndung, Polizei". Da gaben die Grauen Männer auf und brachten ein Schild an der Villa an: "Zu verkaufen". Aber da sie zu viel Geld für das Haus verlangten, fand sich kein Käufer und die Tiere können seither umsonst dort wohnen. Tagsüber machen sie Musik vor dem Bremer Rathaus. Die Bremer Zeitung schreibt: "Ein Jazztrio ist die neue Attraktion vor dem Bremer Rathaus. Die Gruppe nennt sich "Die Tierischen Drei". Sie spielen Jazz, Folk, Reggae und Blues. Eine echte Bereicherung für unsere Stadt. Die Gruppe hat einen eigenen Propagandisten, der die Menschen motiviert, zu den Konzerten zu kommen. Gehen Sie zum Rathaus, erfreuen Sie sich an der Musik und spenden für die Musiker." Fahrt doch einfach einmal nach Bremen ans Rathaus: Die "Tierischen Drei" spielen so gut, dass jedem Hören und Sehen vergeht - ihr werdet staunen.